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Männlein klein

Es war einmal ein Männlein klein,
das wollt nicht länger klein mehr sein.
So dacht es bei sich eines Tages:
Ich zieh jetzt in die Welt und wag es
mal etwas anderes zu sehn.
Die Mutter ließ es ungern gehn,
war voll Bedenken, dass der Kleine
nicht glücklich sei, so ganz alleine.

Doch wie die kleinen Männlein sind,
sie hör’n nicht zu. Und ganz geschwind
war es schon kurz darauf verschwunden
und kam nach vielen, vielen Stunden
in einen tiefen dunklen Wald.
Mit einem Mal wurd’s ihm ganz kalt,
es wurde ängstlich, ihm ward bang
und zittrig wurde sein Gesang,
den’s kurz zuvor aus voller Brust
noch von sich gab vor lauter Lust.

Rund um sich her hört’ es ein Brausen,
es fuhr zusammen voller Grausen,
es macht’ sich klein, es duckt’ sich nieder,
verklungen warn die frohen Lieder.
Wie gern wär es zu Haus gesessen,
hätt’s größer werden gern vergessen,
wär gerne nur ein Männlein klein,
könnt’s dafür bei der Mutter sein.

Doch grausam ist die große Welt
zu jenen, denen es gefällt,
der sorgend Mutter Wort zu schmähen.
Um jene ist es bald geschehen.
So ging’s auch unsrem Männlein klein,
noch lange hörte man es schrein,
bevor es dann für immer schwieg,
sein Seelchen in den Himmel stieg.
Nie wieder sah man’s Männlein klein.
Die Mutter ward fortan allein,
ward voller Gram und tiefem Leid,
starb bald darauf in Einsamkeit.

Hört die Moral von der Geschicht:
verschmähet eure Mutter nicht!
Das Leben ist nur dann in Butter,
folgt man dem Worte seiner Mutter.


(c) J. Schäfer